Die Kreuzzüge gehören zu den am häufigsten missverstandenen Ereignissen der europäischen Geschichte. Moderne Narrative – besonders im schulischen und medialen Kontext – stilisieren sie häufig als imperiale, aggressive Unternehmungen der christlichen Welt gegen eine friedliche islamische Zivilisation. Diese Darstellung ist historisch nicht haltbar. Tatsächlich waren die Kreuzzüge eine Reaktion auf jahrhundertelange muslimische Expansion, Gewalt, Unterdrückung von Christen und die systematische Eroberung vormals christlicher Territorien.
Islamische Expansion: Der wahre Anfang der Gewalt
Die islamische Expansion begann bereits unmittelbar nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632. Innerhalb weniger Jahrzehnte übernahmen muslimische Armeen:
das gesamte christliche Nordafrika (heute Ägypten, Tunesien, Algerien etc.),
den Nahen Osten inkl. Jerusalem,
große Teile Kleinasiens und Spaniens.
Diese rasante Expansion ging mit Gewalt, Vertreibung und Unterdrückung nichtislamischer Völker einher. Christen wurden unter islamischer Herrschaft systematisch benachteiligt, mussten Sondersteuern zahlen (Dschizya), wurden zu Bürgern zweiter Klasse und oft gezwungen, zum Islam überzutreten – vor allem im ländlichen Raum. Historiker wie Bat Ye’or, bekannt für das Konzept des „dhimmitude“, weisen detailliert nach, dass Christen im islamischen Reich keineswegs geschützt, sondern entrechtet wurden[1].
Die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung der Grabeskirche
Jerusalem war seit den Anfängen des Christentums ein heiliger Ort. Doch 638 fiel die Stadt an die Araber. Bis ins 11. Jahrhundert war die Lage der Christen dort noch relativ stabil – bis Kalif al-Hakim im Jahr 1009 die Grabeskirche zerstören ließ und einen Großteil der Kirchen verbrennen oder niederreißen ließ[2]. Diese Tat war ein Schock in der gesamten christlichen Welt.
Der berühmte Historiker Thomas F. Madden schreibt:
„Die Kreuzzüge begannen nicht aus Gier oder Aggression. Sie begannen aus einer religiösen Pflicht heraus, um Leid zu lindern, Christen zu schützen und die heiligen Stätten wieder frei zugänglich zu machen.“[3]
Papst Urban II. und der Hilferuf des Ostens
Der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos bat im Jahr 1095 Papst Urban II. um militärische Hilfe. Die Türken hatten große Teile Kleinasiens besetzt, das einst Herzstück des christlichen Oströmischen Reiches war. Papst Urban reagierte auf diesen Hilferuf mit dem Aufruf zum Ersten Kreuzzug beim Konzil von Clermont.
In seiner berühmten Rede (überliefert von Fulcher von Chartres) heißt es:
„Ihr müsst euren Brüdern im Osten Hilfe gewähren […]. Das Reich der Griechen ist jetzt zerteilt. Die königliche Stadt, die sich im Zentrum der Welt befindet, wird nun von den Feinden Gottes besetzt.“[4]
Er ruft nicht zur Eroberung oder Bekehrung auf, sondern zum Schutz bedrängter Christen. Die Rede war Ausdruck tiefer Verbundenheit der christlichen Gemeinschaft – ein Akt der Solidarität, nicht des Imperialismus.
Kein Zwang zur Bekehrung – Ein Mythos der Moderne
Eines der zentralen Argumente gegen die Kreuzzüge ist der Vorwurf, Muslime seien gezwungen worden, zum Christentum überzutreten. Doch bereits die Quellen widerlegen das: Papst Urban II. erwähnte in keinem Wort eine Zwangsbekehrung, sondern sprach ausschließlich von der Rückeroberung christlicher Gebiete und dem Schutz der Pilger und Heiligen Stätten.
Moderne Historiker wie Jonathan Riley-Smith, einer der bedeutendsten Kreuzfahrerforscher, betonen:
„Der erste Kreuzzug war ein Akt der Liebe – caritas – ein Ausdruck christlicher Nächstenliebe gegenüber den leidenden Christen im Osten.“[5]
Der Dschihad als permanenter Kriegszustand
Der islamische Dschihad wurde nicht nur als Verteidigung verstanden, sondern auch als Mittel zur Ausweitung des islamischen Herrschaftsbereichs. Gelehrte wie Ibn Taymiyya erklärten den Dschihad zur religiösen Pflicht:
„Wenn der Feind die Muslime angreift, ist es Pflicht für alle, sich ihm zu widersetzen.“[6]
Diese Verteidigungspflicht wurde jedoch oft als Vorwand für Offensive benutzt – gegen Byzanz, gegen das christliche Spanien, gegen die Franken. Der Dschihad war ein permanenter Zustand – und legitimierte somit auch den Kreuzzug als Gegenschlag.
Die christliche Selbstbehauptung
Die Teilnahme am Kreuzzug war freiwillig. Ritter verkauften ihr Hab und Gut, um ins Heilige Land zu ziehen. Viele kehrten nie zurück. Es ging nicht um Beute – sondern um das ewige Heil und um den Schutz der eigenen Glaubensbrüder. Der sogenannte „Volkskreuzzug“ zeigt: Auch Bauern und einfache Menschen waren bereit, alles zu opfern für die Verteidigung des Glaubens[7].
In diesem Sinne formulierte der Theologe Bernhard von Clairvaux:
„Der Soldat Christi tötet nicht aus Hass, sondern um das Böse zu vernichten.“
Moderne Missdeutung: Der Mythos des Westens als Aggressor
Moderne Historiker wie Amin Maalouf oder John Esposito stellen die Kreuzzüge als Ursache des westlich-islamischen Konflikts dar. Doch sie blenden aus, dass die muslimische Expansion bereits 450 Jahre zuvor begonnen hatte – gewaltsam, systematisch, religionspolitisch motiviert[8].
Raymond Ibrahim, Autor des Buches Sword and Scimitar, nennt das westliche Selbstbild eine „kollektive Amnesie“. Er schreibt:
„Westliche Selbstvorwürfe zu den Kreuzzügen ignorieren die islamische Aggression, die sie nötig gemacht hat.“[9]
Der Kreuzzug als gerechte Reaktion
Die Kreuzzüge waren weder heilige Kriegsverbrechen noch koloniale Übergriffe. Sie waren eine notwendige Reaktion auf über 450 Jahre systematischer Gewalt gegen Christen. Sie waren ein Versuch, das Heilige Land zu schützen, Pilgerwege zu sichern und christliche Gemeinden zu befreien.
In einer Welt, in der Gewalt von allen Seiten drohte, war der Kreuzzug ein letztes Mittel – nicht das erste. Die moralische Verurteilung der Kreuzzüge ohne ihren Kontext ist nicht nur historisch falsch, sondern eine Verhöhnung derer, die in Treue zum Glauben alles gaben.
Quellenverzeichnis
1. Bat Ye’or, The Decline of Eastern Christianity under Islam, Fairleigh Dickinson University Press, 1996.
2. Vgl. Hillenbrand, The Crusades: Islamic Perspectives, S. 71.
3. Thomas F. Madden, The Concise History of the Crusades, Rowman & Littlefield, 2013.
4. Papst Urban II., zitiert in: James Harvey Robinson (Hrsg.), Readings in European History, Boston: Ginn & Co., 1904.
5. Jonathan Riley-Smith, The First Crusaders, 1095-1131, Cambridge University Press, 1997.
6. Ibn Taymiyya, The Religious and Moral Doctrine of Jihad, in: Rudolph Peters (Hrsg.), Markus Wiener Publishers, 1996.
7. Riley-Smith, What Were the Crusades?, Ignatius Press, 2009.
8. Amin Maalouf, The Crusades Through Arab Eyes, Schocken Books, 1984.
9. Raymond Ibrahim, Sword and Scimitar: Fourteen Centuries of War between Islam and the West, Da Capo Press, 2018.
Hinterlasse einen Kommentar