Die Frage der Prophetie und der islamischen Interpretation

Eine häufige Behauptung, die von einigen Muslimen aufgestellt wird, ist, dass bestimmte Bibelverse auf den Propheten Mohammed hinweisen. Insbesondere wird ein Vers aus dem Alten Testament, der von einer Person spricht, die mit dem Schwert kommt, um ihre Feinde zu unterwerfen, häufig als eine prophetische Vorhersage über Mohammed interpretiert. Der Vorwurf lautet, dass dieser Vers sich nicht auf Jesus beziehen könne, da dieser nicht mit einem Schwert gekommen sei. Stattdessen, so die islamische Deutung, würde er auf den „Propheten des Schwertes“, also auf Mohammed, hindeuten. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesem Thema erfordert eine tiefere Betrachtung des biblischen Kontextes sowie der theologischen Grundlagen sowohl des Christentums als auch des Islams.
Die biblische Grundlage: Eine Analyse des betreffenden Verses
Die betreffende Stelle, die oft in diesem Zusammenhang zitiert wird, befindet sich im Buch Jesaja. Der Vers beschreibt eine Person, die mit einem Schwert kommt, um ihre Feinde zu besiegen. Für die, die Mohammed als diese „Schwertfigur“ interpretieren, scheint der Vers eine prophetische Beschreibung seiner militärischen Errungenschaften zu sein. Es gibt jedoch mehrere gewichtige Gründe, warum diese Deutung nicht zutreffend ist.
1. Der Kontext der biblischen Passage
Zunächst einmal ist es wichtig, den gesamten Kontext der Stelle zu betrachten. Der Vers in Jesaja beschreibt eine Figur, die als „Gott“ bezeichnet wird. In Vers 7 heißt es: „Der Herr ist ein Zorniger und ein Rachegott“ (Jes 63,7). Es wird weiterhin betont, dass diese Person als eine göttliche Figur wahrgenommen wird. Mohammed hingegen hat niemals behauptet, Gott zu sein. Er stellte sich stets als Mensch und Prophet dar und sprach von sich als dem „Siegel der Propheten“, ohne den göttlichen Anspruch, der mit der Person in Jesaja 63,7 in Verbindung gebracht wird. Dies steht im Gegensatz zu der Selbstoffenbarung Jesu Christi, der sich in den Evangelien als Gott identifizierte, zum Beispiel in Johannes 8,58 („Ehe Abraham wurde, bin ich“), was eine klare göttliche Identifikation darstellt.
2. Bestätigung im Neuen Testament
Das Neue Testament selbst bietet eine entscheidende Auslegung dieser alttestamentlichen Passage. In Hebräer 1,8 wird deutlich, dass der „Herr“ in dieser Prophetie Jesus Christus ist: „Aber von dem Sohn sagt er: »Dein Thron, o Gott, bleibt von Geschlecht zu Geschlecht«.” Diese Bestätigung im Neuen Testament unterstreicht, dass der in Jesaja 63 beschriebene „Zornige“ und „Rachegott“ nicht Mohammed ist, sondern Christus, der als der wahre König und Sohn Gottes verstanden wird. Die Verbindung zwischen Jesaja 63 und Christus wird durch diese neutestamentliche Bestätigung unmissverständlich gezogen.
3. Jesus und das Schwert
Ein weiteres Argument gegen die islamische Deutung dieser Stelle ist die Frage nach dem Schwert. In Matthäus 26,52 weist Jesus ausdrücklich darauf hin, dass sein Reich nicht durch Gewalt errichtet werden soll: „Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.” Jesus kam zu seiner ersten Ankunft nicht mit dem Schwert, um physische Gewalt anzuwenden. Stattdessen predigte er Frieden und Erlösung durch seinen Tod am Kreuz.
Jedoch wird in der Offenbarung des Johannes (Offb 19,11-16) beschrieben, wie Christus bei seiner Wiederkunft mit einem Schwert kommt, um die Völker zu richten. Diese „Schwertfigur“ in der Offenbarung ist eine deutliche Darstellung des wiederkommenden Christus, der mit göttlicher Autorität und Macht handelt, um das Böse endgültig zu besiegen. Es ist daher angemessen, diese „Schwertfigur“ als eine eschatologische Beschreibung Jesu zu verstehen, der in seiner Wiederkunft die Welt richten wird.
Die islamische Sicht und die Problematik der Deutung
Die islamische Interpretation, die diesen Vers als eine Vorhersage über Mohammed versteht, missachtet den tiefen theologischen Kontext, der im Alten und Neuen Testament mit dieser Passage verbunden ist. Es ist von zentraler Bedeutung, dass Mohammed in den islamischen Lehren nicht als Gott, sondern als Mensch und Prophet angesehen wird. Demgegenüber wird Jesus im Christentum nicht nur als Prophet, sondern als der Sohn Gottes und als Teil der göttlichen Dreieinigkeit verstanden. Diese fundamentalen Unterschiede in der christlichen und islamischen Theologie machen es schwer, eine direkte Parallele zwischen den beiden zu ziehen.
Der muslimische Gelehrte und Koran-Interpret Muhammad Asad erklärte in seiner Übersetzung und Kommentierung des Korans, dass der Prophet Mohammed eine militärische Rolle in seiner Zeit gespielt habe, jedoch nicht als eine göttliche Figur in der Art und Weise, wie sie in der Bibel für Jesus beschrieben wird. Der Islam erkennt Mohammed zwar als einen großen Propheten an, jedoch niemals als Gott oder als eine göttliche Erscheinung, wie sie in den biblischen Prophetien dargestellt wird.
Fazit: Der Vers bezieht sich auf Christus, nicht auf Mohammed
Die biblische Beweislage spricht eindeutig dafür, dass der Vers aus Jesaja 63 von Jesus Christus handelt und nicht von Mohammed. Der Kontext der Stelle, die Bestätigung im Neuen Testament und die Unterschiede in der Rolle von Jesus und Mohammed in der jeweiligen religiösen Tradition machen eine Deutung des Verses im Hinblick auf Mohammed unhaltbar. Während es zutrifft, dass Mohammed im Rahmen des Islam als militärischer Führer eine bedeutende Rolle spielte, bleibt die prophetische Beschreibung in Jesaja 63 untrennbar mit der Person Jesu Christi verbunden, der als Gott und Richter in der christlichen Theologie verstanden wird. Daher bleibt die biblische Prophetie eine Verheißung für den kommenden Messias, Jesus Christus, und nicht für den islamischen Propheten Mohammed.
Hinterlasse einen Kommentar