Das Erste Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr. wird oft in modernen Debatten und populären Medien wie Sakrileg oder Zeitgeist falsch dargestellt. Es wird behauptet, dass dort das heutige Christentum definiert, die Trinitätslehre erfunden, biblische Texte verändert und unerwünschte Schriften vernichtet wurden. Diese Theorien entbehren jedoch jeder historischen Grundlage und stehen im Widerspruch zu den dokumentierten Ereignissen. In diesem Artikel werde ich die historischen Fakten beleuchten und die Verbreitung dieser Mythen aufzeigen.
1. Historischer Kontext: Das Römische Reich und das Christentum
Zur Zeit des Konzils war das Christentum noch eine Minderheit im Römischen Reich, etwa 10 % der Bevölkerung waren Christen. Der Glaube war bis dahin starken Verfolgungen ausgesetzt, die erst durch folgende Maßnahmen endeten:
• 311 n. Chr.: Toleranzedikt von Nikomedia (unter Kaiser Galerius): Erlaubte eingeschränkt die freie Glaubensausübung.
• 313 n. Chr.: Mailänder Vereinbarung (unter Konstantin): Beendete offiziell die Christenverfolgung und erlaubte allen Religionen freie Ausübung. Konstantin selbst war zunächst Anhänger des Sonnengottes Sol Invictus.
• 324 n. Chr.: Konstantin bekannte sich öffentlich zum Christentum, ohne jedoch Trinitarier zu sein. Sein Fokus lag auf der Reichseinheit.
Das Konzil fand in einer Zeit statt, in der die Christenheit gerade erst eine Phase der Verfolgung hinter sich gelassen hatte. Viele der rund 300 Bischöfe, die am Konzil teilnahmen, trugen noch die Wundmale von Folter und Verfolgung.
2. Anlass des Konzils: Der Streit zwischen Arianern und Trinitariern
Das Konzil wurde einberufen, um einen theologischen Streit zu klären, der die Kirche und das Reich zu spalten drohte. Die Debatte drehte sich um die Frage der Wesensgleichheit Jesu mit Gott dem Vater (Homoousios).
• Die Arianer (nach Arius, Priester aus Alexandria): Sie behaupteten, dass Jesus Christus zwar göttlich, aber ein geschaffenes Wesen sei. Somit sei er dem Vater nicht wesensgleich.
• Die Trinitarier (angeführt von Athanasius): Sie lehrten, dass Jesus ungeschaffen und ewig mit dem Vater wesensgleich sei, wie es die Schrift bezeugt (z. B. Johannes 1:1-3, Kolosser 1:15-17).
Es war eine rein theologische Debatte über die Interpretation der Schrift, nicht über den Bibelkanon oder Änderungen der Texte. Die Mehrheit der Bischöfe unterstützte die Trinitarier, während etwa 20 Bischöfe den Arianern folgten.
3. Ergebnisse des Konzils von Nicäa
Das Konzil von Nicäa brachte folgende Ergebnisse:
1. Das Nicäanische Glaubensbekenntnis: Das Konzil bestätigte, dass Jesus Christus „wahrer Gott vom wahren Gott“ und „eines Wesens mit dem Vater“ (Homoousios) ist. Diese Lehre war keine Erfindung, sondern gründete sich auf die Schriften des Neuen Testaments (z. B. Johannes 17:5, Hebräer 1:3) und die Lehren der frühen Kirchenväter wie Ignatius von Antiochien (gest. 107 n. Chr.) und Tertullian (ca. 160–220 n. Chr.).
2. Keine Veränderung des Bibelkanons: Der Bibelkanon war kein Thema auf dem Konzil. Die Zusammenstellung der Heiligen Schrift war zu dieser Zeit bereits weitgehend etabliert. Die Kanonbildung wurde erst später, z. B. auf der Synode von Karthago (397 n. Chr.), formell bestätigt.
3. Kein Einfluss auf apokryphe Schriften: Die Behauptung, dass unerwünschte Evangelien vernichtet wurden, ist eine Erfindung. Apokryphe Schriften wie das Thomasevangelium wurden nie als kanonisch angesehen, da sie nicht die apostolische Lehre widerspiegelten.
4. Kein politischer Druck von Konstantin: Konstantin nahm zwar als Organisator teil, übte jedoch keinen theologischen Einfluss aus. Er ließ sich später sogar von einem Arianer taufen (Eusebius von Nikomedia) und verbannte Athanasius, den Verteidiger der Trinität.
4. Historische Beweise für die Göttlichkeit Christi
Die Göttlichkeit Jesu war lange vor dem Konzil von Nicäa ein zentraler Bestandteil der christlichen Lehre.
• Ignatius von Antiochien (ca. 107 n. Chr.): Er schrieb: „Es gibt nur einen Arzt, aus Fleisch und Geist, geschaffen und ungeboren, Gott im Fleisch, wahres Leben im Tod, von Maria und von Gott.“
• Plinius der Jüngere (ca. 112 n. Chr.): Er berichtet, dass Christen Christus als Gott verehrten.
• Archäologische Funde aus Megiddo (3. Jahrhundert): Eine Mosaik-Inschrift aus einer alten Kirche in Israel nennt Jesus Christus „Gott“ und „Erlöser“.
5. Ursprung der Mythen über Nicäa
Die modernen Theorien über das Konzil stammen größtenteils aus dem 19. Jahrhundert, insbesondere von der Theosophischen Gesellschaft unter Helena Blavatsky. In ihrem Werk Isis Unveiled behauptete sie fälschlicherweise, dass auf dem Konzil der Bibelkanon beschlossen wurde. Diese Mythen wurden später von Werken wie Zeitgeist und populären Romanen aufgegriffen.
Historiker wie Richard Bauckham (Jesus and the Eyewitnesses) und Larry Hurtado (Lord Jesus Christ) widerlegen diese Thesen und zeigen, dass die Trinitätslehre und die Göttlichkeit Christi tief in der frühchristlichen Tradition verwurzelt sind.
6. Zusammenfassung der Fakten
• Keine Änderung der Bibel: Der Bibelkanon war nicht Gegenstand des Konzils, und keine Schriften wurden verändert oder vernichtet.
• Trinitätslehre nicht erfunden: Die Trinitätslehre gründet sich auf die Schrift und die frühen Kirchenväter und wurde durch das Konzil bestätigt, nicht eingeführt.
• Politische Einflussnahme unwahrscheinlich: Konstantin unterstützte keine Seite eindeutig und ließ sich von einem Arianer taufen.
• Göttlichkeit Jesu nicht neu: Die Gottheit Jesu war seit den Anfängen des Christentums zentral und wurde bereits von Ignatius von Antiochien, Tertullian und anderen gelehrt.
Quellen und Literaturhinweise
1. Richard Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses, 2006.
2. Larry W. Hurtado, Lord Jesus Christ: Devotion to Jesus in Earliest Christianity, 2003.
3. J. N. D. Kelly, Early Christian Doctrines, 1978.
4. Eduard Schwartz, Acta Conciliorum Oecumenicorum, 1914.
5. Wikipedia, Artikel „Konzil von Nicäa“.
6. New Advent, Artikel „Nicene Creed“.
7. Archäologische Funde in Megiddo: Alamy.
Schlussgedanke

Das Konzil von Nicäa markiert einen Meilenstein in der Theologiegeschichte, ohne dabei die grundlegenden Glaubenswahrheiten des Christentums zu verändern. Es bestätigte die Göttlichkeit Christi und die Lehre der Trinität, die fest in der Schrift und den frühen Lehren der Kirche verankert sind. Mythen und Missverständnisse über das Konzil stammen meist aus unseriösen Quellen, die historische Fakten verzerren.
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